Edith Saurer wurde im August 1942 in Wien geboren.
Seit 1992 war sie Professorin für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre lagen im 18., 19. und 20. Jahrhundert. Von 2006 bis 2011 leitete sie die Forschungsplattform „Neuverortung der Frauen- und Geschlechtergeschichte im veränderten europäischen Kontext". Als Gastprofessorin war sie an den Universitäten Bielefeld, Neapel und Leipzig sowie am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz tätig.
Ihr Studium an der Universität Wien schloss sie mit einer Dissertation über die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in der Habsburger Monarchie – „Die politischen Aspekte der österreichischen Bischofsernennungen 1867–1903" (veröffentlicht 1968) – ab und setzte die Arbeit an kirchengeschichtlichen Fragestellungen während ihres zweijährigen Aufenthaltes am Österreichischen Kulturinstitut in Rom ab 1966 fort. In dieser Zeit wandte sie sich zugleich der Geschichte Italiens zu, die für ihre weiteren Forschungen und Vernetzungen überaus wichtig werden und bleiben sollte.
Nach ihrer Rückkehr als Assistentin an die Universität Wien begann sie ihr Interesse auf die Geschichte der materiellen Kultur, der Grenzen, des Steuerwesens und der Kriminalität zu richten. In diesem Forschungszusammenhang widmete sie historisch-anthropologischen Zugängen besondere Aufmerksamkeit und machte die Beziehungen zwischen Sozial-, Kultur- und Institutionengeschichte zum Thema. Ausgehend von diesen Schwerpunkten, die sie in vergleichender Perspektive auf Italien und Österreich fokussierte, verfasste sie ihre Habilitationsschrift (abgeschlossen 1983 und publiziert 1989): „Straße, Schmuggel, Lottospiel. Materielle Kultur und Staat in Niederösterreich, Böhmen und Lombardo-Venetien im frühen 19. Jahrhundert". Zum Themenbereich Grenzen gab sie im Jahr 2000 mit Waltraud Heindl den Band „Grenze und Staat. Passwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie (1750–1867)" heraus, im Jahr 2010 mit Margareth Lanzinger den Band „Ungleichheit an der Grenze. Historisch-anthropologische Spurensuche im alpinen Raum: Tret und St. Felix". Ihre Studie über die Grenzen des Mittelmeerraumes „Auf der Suche nach Ehre und Scham. Europa, sein mediterraner Raum und die Mittelmeeranthropologie" (Historische Anthropologie, 2002) greift ebenfalls Aspekte dieses Forschungsfeldes auf und setzt sie mit Geschlechtergeschichte in Verbindung.
In den 1970er und 1980er Jahren standen in den Arbeiten Edith Saurers frauengeschichtliche Themen im Zentrum des Interesses, wobei sie sich zunächst auf Religion konzentrierte. Sie schrieb Artikel über „Frauen und Priester", in denen sie Beichtgespräche analysierte (1990), über „Gebetbücher für Frauen – Frauen in Gebetbüchern" (1990) und gab 1995 den L'Homme Schriften-Band „Die Religion der Geschlechter. Historische Aspekte religiöser Mentalitäten" heraus. Ab den 1990er Jahren erforschte sie Verwandtenheiraten in vergleichender Perspektive und schrieb an ihrem Buch über Arbeit, Liebe und Geschlechterbeziehungen in Europa, das erst posthum erscheinen kann. Diese Studien fragen nach dem Zusammenwirken von Geschlecht, Politik, Kultur und Religion. Religion blieb auch darüber hinaus ein Schwerpunkt ihrer Forschungen – so in der Untersuchung über „Romantische KonvertitInnen. Religion und Identität in der Wiener Romantik" (2006), die sie im Rahmen eines interdisziplinären Projekts durchgeführt hat.
2003 erschien von ihr, gemeinsam mit Heinrich Berger und Gerhard Botz herausgegeben, das Buch: "Otto Leichter, Briefe ohne Antwort. Aufzeichnungen aus dem Pariser Exil 1938–1939". Diese Briefe hatte Otto Leichter, sozialdemokratischer Journalist jüdischer Herkunft, dem die Flucht nach Paris gelungen war, von dort aus 1918/39 an seine in Wien zurück gebliebene Frau Käthe geschrieben. In diesem Zusammenhang stellte Edith Saurer in einem weiteren Artikel die Frage nach Wirkungsweise und Wirkungsmacht von Erinnerung: "'Ach wie weit ist deine Stimme': Nähe und Erinnerung in Otto Leichters Brieftagebuch, geschrieben in der Pariser Emigration 1938/39" (2003). Der zuletzt genannte Text, der in dem gemeinsam mit Christa Hämmerle herausgegebenen L'Homme Schriften-Band „Briefkulturen und ihr Geschlecht" erschienen ist, zeigt zugleich ihr Interesse an der Entstehung von Ego-Dokumenten und an Konstruktionen des Selbst.
Im Jahr 1989 gründete Edith Saurer die Sammlung Frauennachlässe, im Jahr 1990 das Periodikum „L'Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft" und im Jahr 1995 die Reihe „L'Homme Schriften. Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft", der die Reihe „L'Homme Archiv" folgen sollte. Sie war von Beginn an (seit 1993) Mitglied des HerausgeberInnenteams der Zeitschrift „Historische Anthropologie. Kultur, Gesellschaft, Alltag".
Käthe-Leichter-Staatspreis (1991)
Gabriele-Possanner-Staatspreises (1997)
Goldenes Ehrenzeichen der Stadt Wien (2010)
Forschungsplattform Neuverortung der Frauen- und Geschlechtergeschichte im veränderten europäischen Kontext
"die/der Standard"
http://diestandard.at/1301874004250/1942---2011-Historikerin-Edith-Saurer-verstorben
http://derstandard.at/1301874210634/Edith-Saurer-1942-2011